Reise ins Herz der Finsternis

Eine interaktive Klanginstallation nach Motiven von Joseph Conrad

Press

Dokumentationsfilm von Rudolf Gottsberger und StudioRot

Von: Konstantin Jahn, Valentin Jahn, Flo Panhölzl, Stefan Pommer, Mirjam Mercedes Salzer, Onno Ennoson und Max Kaufmann THEATERVEREIN ODEON

Sinus

In der interaktiven und generativen Klanginstallation „Reise ins Herz der Finsternis“ (Odeon Theater Wien) wandern 64 Sinus-Oszillatoren durch 4 Takte eines Chorals.

Die in vier „Stimmen“ mit je 16 Obertönen unterteilten Frequenzgeneratoren verwandeln stetig ihre Klangfarbe: Sie wandern durch die Naturtonreihe, interpretieren die Schwingungsverhältnisse arabischer, afrikanischer und asiatischer Instrumente und ihre zu Grunde liegenden Frequenzberechnungen.

Die additive Synthese erzeugt Klänge eines digitalen Dschungels, elektronische Signale von Modems und Telegraphen und den bombastischen Klang der Kirchenorgel. Ohne jegliche Effekte, entsteht eine Klangwelt die an früheste elektronischen Kompositionen des Kölner Studios für elektronische Musik oder des IRCAM-Instituts erinnert.

Weil die Besucher*innen selbst den Sound über ein Netz von Sensoren manipulieren können, erklingen unvorhersehbare mikrotonale Reibungen, polyrhythmische Verschiebungen, Schwebungen und nicht berechenbare klangliche Artefakte.

Reise ins Herz der Finsternis Maschinenklänge

Digitaler Dschungel

„Um sich dem Terrarium – einem künstlich erzeugten Raum, der einen falschen Lebensraum suggeriert – anzunähern und den Raum in Symbiose mit der Klangmaschine zu entwickeln, wurde eine durch Pilzbefall getötete Eschenwurzel mittels 3D-Scan in den digitalen Raum transferiert und durch einen 3D-Drucker wieder in den analogen Raum zurückgeholt. Um die Dynamik des kranken kapitalistischen Kreislaufs zu symbolisieren begann nun einaufwendiger Klon-Guss-Prozess. Der 3D-Druck wurde abgegossen. Die originale Eschenwurzel wurde teilweise geschreddert und in Verbindung mit Acrystal wieder in ihre Klonform gegossen.“ (Mirjam Mercedes Salzer)

Live

Bei zwei Life-Events im Juli 2021 improvisierte der Wiener Obertonchor von Hans Tschiritsch, sowie der Avantgarde-Gitarrist Mario Bergamasco mit den 64 Oszillatoren.

Antikapitalismus und Antikolonialismus

Als Steuerungsdaten der Klanginstallation dienen die Fracht- und Ladepapiere der größten Handelshäfen und Containerschiffe der Welt. Denn wie in Joseph Conrads Erzählung liegt das „Herz der Finsternis“, auch heute noch im Kongo. Im Zentrum des globalen Welthandels und brutaler Ausbeutung schürft der Westen heute nach „Konflikt-Edelmetallen“ Kobalt und Coltan. Damals suchte er Gold und Elfenbein.

Die 64 Oszillatoren produzieren Sounds, die an Orgelmusik, Ambient und New Age-Klänge erinnern. So reproduzieren sie die Feel-Good-Lifestyle-Fassade des „surveillance capitalism“, der auf Kolonialismus und Ausbeutung beruht.

Ein Interview mit dem berüchtigten Kongo-Müller exemplifiziert die Brutalitäten kapitalistischer Ideologie. Denn Müller beging im Dienste bzw. im stillen Einvernehmen mit kolonialen Ausbeutern – von Nestlé bis zum Goethe-Institut – diverse Gräueltaten. Historische Wachswalzenaufnahmen aus dem Kongo übertönen den prototypischen Söldner mit den ausradierten Stimmen und Gesängen kolonialer Opfer.

Teaser von Flo Panhölzl: