Noise, ZEN & Transphilosophie
Noise ist das radikal Andere, das alle Unterscheidungen einebnet: Noise is nicht nur Lautstärke, sondern die Verbreitung und Streuung seiner Nicht-Nachricht.
«We are the modern Alchemists. Let us demolish stabilty, tradition and security. We will invent new systems, new futures, new languages, new ways of living and thinking.» (Gründungsmanifest New Blockaders 1981.)
Im Verzicht auf fast alle Parameter der abendländischen Musik (Rhythmik, Harmonik, Melodik) verliert alles an Bedeutung und gewinnt an Energie. Musik wird Ritual.

Der traurige, kluge T. W. Adorno, gefangen in seinem Kosmos der avancierten Konzertmusik, erkannte (und beklagte) diese Tendenzen: „Music regresses to the pre-musical, the pre-artistic tone.“ (194).
Adorno ist jener Geisteshaltung verpflichtet, die rationalisiert, durch-arbeitet, ordnet, abstrahiert. Sie präferiert Geist vor Körper, Zeit vor Raum, Abstraktion vor Konkretion, setzt die Entwicklung vor den Stillstand und die Vernunft über die Irrationalität.
Sie will Struktur, Methode, die Logik der inneren Beziehungen, Durchführung, Motivisches, Entwicklung – kurz: ARBEIT. Das Kunstwerk muss dialektisch sein: Technik (Methode) und Gehalt (Inhalt/Form) mussten sich zueinander „verhalten“.
In der abendländischen Tradition ist daher keine (Kunst)Musik denkbar, die nicht bis zu gewissem Grade Virtuosität erfordert: Fähigkeiten müssen gemeistert werden, Anforderungen müssen bedient werden, historisch gegebene Aufgaben müssen gelöst werden etc.
Die Kunst muss hier über die Realität hinausgehen, sie transzendieren, mehr sein als „a slice of empirical reality“ (Adorno, Sound Figures, 197)“. Die Identität von „content and appearance“, so Adorno weiter, zerstöre die Idee der Kunst.
Wenn sich das Kunstwerk von seinem Inhalt löse, werde es zur „reinen sensorischen Präsenz“. (Adorno, Sound Figures, 197)
Keine Arbeit!
Hier, als reine sinnliche Präsenz, beginnen Noise (und Ambient!“): Musik ohne Narrativ, ohne Entwicklung. Das musikalische Genie, das Talent oder der Virtuose werden entthront, der Musiker zum Laborassistenten degradiert, der im günstigsten Fall Rohmaterial zu liefern hat, dass der Noise-Musiker in Klangmoleküle zersetzt, de-komponiert, zerschneidet. Maschinen setzen es durch Wiederholung, Loops und Schichtung neu zusammen. Noise steht für sich selbst, der Gehörsturz lässt sich nicht simulieren, es gibt kein Außen: Noise ist seine eigene Message.
Noise und Macht
Die Macht, wie Foucault erkannt hat, kennt kein Außen. So hat der Noise utopisches Potential: er ist jenseits der Repetition, jenseits der Ware, jenseits der ARBEIT und jenseits der Deduktion.
Wenn Entwicklung, Abstraktion und Arbeit durch Zustand und Intuition ersetzt wird, nähert man sich fernöstlichen Theologien: das Sein wird wichtiger als das Werden. Nicht nur Merzbow, der vielleicht bekannteste japanische Noise Musiker, ist stark vom Zen beeinflusst.
Im Noise kann man nicht außerhalb der Ereignisse sein, es gibt keine Differenz zwischen zwischen dem Werden und dem Auflösen von Form: Dialektik ohne Aufhebung (vgl. Bataille), die im besten Fall in Ekstase mündet, in Trans- Supra-, Ueber- und Metazustände:
modern vs. primitive
laut vs. leise
osten vs. Westen
wollen-sein
Schopenhauer-Cage
statisch- dynamisch
hyper
transnational
supranational
suprakategorial
merkurisch
Es gibt kein Außen!